Samstag, 28. Mai 2016

Haruki Murakami "Die unheimliche Bibliothek" [Interview]



Hallo Fabian! Was liest du gerade?

Was ich gerade lese? Neben einigen Fachbüchern für die Arbeit und privat, bin ich gerade mit etwas fertig geworden, und zwar: Die Kurzgeschichte - oder die Erzählung - "Die unheimliche Bibliothek" von Haruki Murakami.


Um was geht´s da?

Augenscheinlich geht´s um mit die Erlebnisse eines Jungen, oder jungen Mannes, der wegen einem ziemlich belanglosem Thema ein Buch aus der Bibliothek ausleiht, von dem Bibliothekar in eine Falle gelockt und gefangen gehalten wird. 


Also recht typisch Murakami?

Genau! Sehr abstrus, sehr kafkaesk!


Liest du viel Murakami?

Ja! Murakami zählt zu meinen Lieblingsautoren, wobei ich die kafkaesken Werke, wie zum Beispiel "Tanz mit dem Schafsmann", "Mister Aufziehvogel", "IQ84", deutlich lieber mag wie die Liebesgeschichten wie "Naokos Lächeln" oder "Gefährliche Geliebte".


Wie würdest du deine Kurzgeschichte so ganz, ganz grob in Murakamis Werk einordnen? 

Es ist ein sehr frühes Werk von Murakami, denke ich. Also ich weiß, dass es aus den Achtzigern ist; damit müsste es eines seiner ersten Werke sein. In Deutschland ist es allerdings erst vor einigen Jahren erschienen. Es hat auch einige Ähnlichkeiten mit seinen anderen Sachen. Nicht nur im Bezug auf die etwas absurde, kafkaeske Handlung, sondern auch ein Charakter, der dem Einen oder Anderen bekannt vorkommen könnte, taucht darin auf: Der Schafsmann, der auch in "Wilde Schafsjagd" und Tanz mit dem Schafsmann" vorkommt.


Hat die Erzählung mit den beiden Romanen auch einen inhaltlichen Zusammenhang?

Hm, inhaltlich nicht direkt, nein!


Die Protagonisten sind dann auch anders?

Ja,. Also der Protagonist in "Die unheimliche Bibliothek" ist namenlos, könnte also rein theoretisch die gleiche Person sein, die auch in "Wilde Schafsjagd" auftaucht, allerdings dann in einem anderen Alter und unter anderen Umständen. Der Protagonist in "Die unheimliche Bibliothek", auch wenn kein Alter explizit genannt wird, ist vermutlich noch Schüler.


Wie bist du zu Murakami gekommen?

Wann war das? [denkt nach] Vor etlichen Jahren war ich regelmäßiger Hörer einer Radiosendung, einer Hörertalksendung und dort wurde das zum Einen vom Moderator selbst empfohlen, zu einer Sendung zur Frankfurter Buchmesse...


Die Kurzgeschichte oder Murakami selbst?

Nein, Murakami, die Kurzgeschichte gab es damals noch nicht. Das konkrete Buch war, glaube ich, entweder "Wilde Schafsjagd" oder "Hardboiled Wonderland oder Das Ende der Welt". Kurz darauf - ich habe das damals erstmal und "Ja vielleicht mal" abgestempel - hat ein Freund von mir das auch nochmal empfohlen. Dann dachte ich: Ok, jetzt habe ich an zwei Ecken, jemand den ich persönlich kenne und jemand den ich sehr gerne höre, die Empfehlung bekommen, also: Mal reinlesen! Und dann bin ich hängen geblieben!


Was fasziniert dich so an ihm, dass du hängen bleibst?

Gerade bei diesen etwas absurderen Werken: Wie traumhaft die Werke eigentlich sind! Traumhaft nicht im Sinne von schön und alles ist heile Welt und bunt, sondern eher die Absurdität und auch schon das Alptraumhafte, ohne wirklich schrecklich zu sein - was sich ja auch in "Die unheimliche Bibliothek" sehr gut zeigt. In dieser Bibliothek eingesperrt zu sein ist ja an für sich schon etwas Unangenehmes, aber konkret wird dieser namenlose Protagonist ja nicht eingesperrt um des eingesperrt seins Willen, sondern er wird gezwungen, die Bücher, in denen er eigentlich nur kurz etwas nachlesen wollte, auswendig zu lernen. Zuerst erzählt man ihm: Am Ende gibt es eine Prüfung und wenn du die bestehst, darfst du wieder raus! Aber relativ bald erzählt ihm der Schafmann, der seinen unfreiwilligen Wächter spielt und gegen seinen Willen auf ihn aufpassen muss, das in Wirklichkeit derjenige, der ihm die Falle gestellt hat, vorhat sein Gehirn zu essen, das, nachdem es viel Wissen aufgezogen hat, besonders schmackhaft ist. Und im Prinzip machen das alle Bibliotheken so! 


Super!
 
[Lacht] Da weißt du ja vielleicht Näheres, du hast ja mal in einer gearbeitet!


Ja, wir haben auch immer Gehirne gegessen! - Der Begriff ist ja schon gefallen: Es ist sehr kafkaesk! Wenn man jetzt Kafka und Murakami ins Verhältnis setzt: Was macht ihn anders als Kafka?


Es ist etwas konkreter als Kafka, nicht ganz so absurd und meistens nehmen die Geschichten und Romane zumindest ein neutrales Ende, während ja bei Kafka häufig das schlimmstmögliche Ende passiert. Bei der Rezension zu der Bibliotheksgeschichte wurde das als ein Hauptunterschied zu Kafka erwähnt, dass es am Ende für den Protagonisten ein gutes Ende nimmt. Am Ende kommt er wieder frei, Friede, Freude, Eierkuchen... - Dem würde ich allerdings nicht zustimmen! Ich weiß jetzt nicht, wie weit ich das Ende spoilern darf?


Vielleicht nicht unbedingt spoilern!

Ok! - Die Rezension hat in der Hinsicht recht, dass er freikommt, aber nach dem freikommen passiert etwas, auch wenn das nur in einem Absatz erwähnt wird, das sowohl für den Protagonisten, als auch für mich, deutlich schlimmer wäre, als das, was in der Bibliothek passiert ist. 


Würdest du die Geschichte trotzdem empfehlen? Oder gerade deswegen?

Ja! Gerade deswegen! Das schöne an der Geschichte ist: Man bekommt sehr viele Möglichkeiten die Geschichte zu interpretieren: Was sie für einem selbst bedeutet! Ich selber habe sie mittlerweile zwei Mal gelesen. Beim ersten Mal habe ich vor allem die Atmosphäre mitgenommen, das beklemmende Gefühl. Jetzt beim zweiten Mal, auch wenn ich viele Impressionen von meinem ersten Lesen teilen konnte, fallen einem doch viele Sachen auf, die dann noch weitere Interpretationsmöglichkeiten eröffnen und es einem möglich machen, noch tiefergehende Erkenntnisse rauszupressen. 


Also würdest du definitiv empfehlen, es mehrmals zu lesen?

Ja, auf jeden Fall! Auch, weil ein paar kleinere Sachen darin vorkommen, die vielleicht erst beim Zweiten lesen auffallen. Zum Beispiel: Der Protagonist bringt am Anfang zwei Bücher in die Bibliothek zurück und beide Bücher deuten von ihrem Inhalt und ihrem Titel eigentlich schon etwas an, was im Laufe der Geschichte passiert. Das eine war über den Bau von U-Booten , das andere geht über backen oder Bäckerein oder Backwerk. Auch wenn später im Buch kein Boot vorkommt: Dieses beklemmende Gefühl im Keller, in der Enge, hat schon gewisse Parallelen zu U-Booten, während Backwerk in der Tat noch eine Rolle spielt. 


Hätte ich dich noch etwas ganz Wichtiges fragen sollen?

Zu der deutschen Ausgabe gibt es noch etwas zu sagen - und meines Wissens gibt es das auch nur in der deutschen Ausgabe und nicht in der Originalausgabe oder anderen Übersetzungen: Die deutsche Ausgabe ist illustriert. Mit wirklich gut gemachten Illustrationen, die auch das alptraumhafte gut wiederspiegeln. Das wurde vom Herausgeber/Verleger vermutlich auch entschieden, es so zu machen um es einfach zu rechtfertigen, ein eigenes Buch für eine Kurzgeschichte rauszubringen! Man muss nämlich sagen: Wenn es jemand um das Geld pro Seite geht, macht man bei dem Buch einen schlechten Deal. Es kostet, glaube ich, schon mehr als zehn Euro [Anm. d. Red.: Für den Kindle] und das Ganze ist doch recht kurz.


Ist das dann nur beim Kindle oder auch im Buch?

Auch im Buch, meines Wissens. 


Liest du öfters japanische Autoren?

Weniger! Außer Murakami - und dem einen oder anderen Manga natürlich -  habe ich keine japanischen Romane gelesen.


Aber Murakami steht definitv wieder auf der Liste?

Definitv! Ich freue mich jedes Mal, wenn ein neues Murakamibuch auf Deutsch übersetzt wird!


Hast du schon eines geplant?

Nein, ich wüsste jetzt auch nicht, welches als nächstes rauskommt!


Und so für dich zum Lesen?

Im Moment lese ich Harry Potter!

Der absolute Klassiker!

Absolut, ja!

Dann vielen Dank für das Interview

Donnerstag, 26. Mai 2016

Donna Douglas "Die Nightingale-Schwestern. Freundinnen für´s Leben" [Guilty Pleasure]

Hallo A. Schädelski aus H., von welcher Guilty Pleasure möchtest du uns erzählen?

"Die Nightingale-Schwestern. Freundinnen für´s Leben" von Donna Douglas.



Und das ist gut?

[Lacht] Also es macht Spaß, es zu lesen! Aber ich weiß nicht, ob es gut für mich ist, es zu lesen!


Und um was geht´s?

Es geht um drei Mädchen 1934 in London und sie kommen aus verschiedenen Gesellschaftlichen Schichten. Eine kommt eher aus der unteren Klasse und möchte diese Krankenschwesterausbildung machen, um quasi aufzusteigen. Eine andere ist etwas höher angesiedelt und es geht darum, dass sie von ihrer Mutter sehr unterdrückt wird, die auch Krankenschwester war. Und dann gibt es noch eine, die eigentlich nur hätte Heiraten sollen - sie ist aus der Aristokratie - aber sie möchte das nicht. Sie möchte keinen Ehemann finden, diese Gesellschaft und alles ist ihr viel zu fancy und dann möchte sie lieber Krankenschwester werden.


Und was ist so guilty an deiner pleasure?

Das es so ein richtig schöner fetter Frauenroman ist! Es könnte um Krankenschwestern gehen,  aber eigentlich geht es um Beziehungen und wie sie dann doch irgendwie eine Liebe finden...


Ich nehme an, es ist historisch korrekt?

Ja, vielleicht... [Lachen] Also es gibt nicht so viele historische Anhaltspunkte. muss man sagen!


Es könnte also auch 1997 spielen?

Ja! Ich stelle mir dann halt die Kleider von 1934 vor! [Lachen] Und es kommt einmal ein König vor! - Da müsste ich eigentlich nachgucken, ob das korrekt war, aber es hat auch nur eine Nebenrolle gespielt!


Krankenschwestern  - 1934 - Guilty Pleasure... - Da muss doch auch noch ein Krieg kommen, oder?

Bis jetzt nicht! Das war meine Hoffnung, als ich das Buch gekauft habe! Ich dachte: 34 - da ist jetzt einfach so ein Vorspann, dass sie eine Ausbildung kriegen und dann geht es hier schön in den zweiten Weltkrieg rein! Nightingale, Florence Nightingale, kennt man ja aus dem ersten Weltkrieg und ich dachte mir: Super, jetzt kommt es zum zweiten Weltkrieg, aber im Moment bin ich auf Seite 400 und es dümpelt immernoch um die Beziehung rum.


Wenn du mit Florence Nightingale kommst: Hast du das Gefühl, dass du das Buch mit deinem Niveau auf Seite 2 überwachsen hast oder fühlt es sich ganz gut an?

Inwiefern mit meinem Niveau? [Lachen] Also ich habe es mir schon medizinhistorischer vorgestellt! Das ist jetzt halt ein Klatschroman in einem anderen Setting wie "Eat-Pray-Love" oder sowas, das ich übrigens nicht gelesen habe! Aber mir fällt jetzt kein schöner Titel ein! Sowas eben!


Insert Love Book here!

Genau!


Was man dem Buch zugute halten muss: Es sind tatsächlich drei Krankenschwestern auf dem Cover! Das ist schon mehr als man von den meisten billig produzierten Büchern erwartet! - Sehen sie auch so aus, wie im Buch?

Ja! Sie tragen auch wirklich sehr einfache Kleidung, die auch nur ganz selten beschrieben wird. Ihre Tätigkeit als Krankenschwester wird schon sehr ausführlich beschrieben!


Also eine blond, braun und schwarz?

Ja, das stimmt! - Ah, nein, das braune sollen eigentlich rote Locken sein! Naja, dann hat es doch nicht ganz getroffen! - Es ist allerdings nicht nur so fluffy stuff, sondern die eine,die aus der Unterschicht kommt, zum Beispiel, hat auch eine schlimme Vergangenheit: Sie will aufsteigen und aus dem Elternhaus weg, weil ihr Stiefvater sie vergewaltigt.


Das ist natürlich krass!

Ja, es ist schon ein bisschen Inhalt da und geht teilweise doch ein bisschen tiefer! Es geht halt nicht nur um eine wissenschaftliche Abhandlung über Krankenschwestern in diesem Jahr, was man ja auch nicht hat erwarten können!


Kommt ihre Tätigkeit vor?

Ja! Es kommen auch verschiedene Beziehungen zu Patienten vor! Die Eine verliebt sich dann auch in einen Patienten. Aber nicht nur diese Beziehung wird aufgegriffen, sondern auch andere. Beispielsweise ist eine Hure auf der Station, zu der die Eine eine recht intensive Beziehung aufbaut. Allerdings nichts sexuelles!


Ist es auch eine Pleasure oder nur guilty?

Nein, es ist Pleasure! Ich finde, es liest sich sehr angenehm und man hat schon das Gefühl, dass die Figuren ein bisschen Tiefe haben, aber es ist jetzt keine weltbewegende Literatur! - Es ist so ein schönes einfaches Werk! Ich habe selten so viele Seiten runtergekloppt und bin schon auf Seite 400 obwohl ich erst vor vier Tagen damit angefangen habe und es ist nicht so, dass ich nur gelesen hätte!


Wie bist du darauf gekommen? 

Ich bin morgens zu meinen Eltern gefahren und hatte noch ein bisschen Zeit am Bahnhof, da dachte ich: Ich gönne mir mal wieder was zum Schmökern, hatte verschiedene Bücher in der Hand, unter anderem Murakami [Anm. d. Red.: für den A. Schädelski und ich eine gemeinsame Passion hegen] und dachte mir: Nein! Das muss es sein! Ich mag Medizinzeug und ich hatte Hoffnung, dass es auf einen Krieg zuführt und ich mag Bücher aus Frauensicht! Und es war nicht so teuer!


Abschließend die große Gretchenfrage: Wie handhabst du das so mit deinen Guilty Pleasures? Brauchst du das manchmal?

Ja, das brauche ich! Jetzt habe ich gerade mein Examen hinter mir und da brauche ich einfach ein bisschen profane Literatur und im Urlaub ist es auch einfach wunderbar!


Vielen Dank!

Freitag, 20. Mai 2016

Bernhard Cornwell "Der weiße Reiter" [Interview]


Hallo Helena! Was für ein Buch liest du gerade?


Ich lese aktuell "Der weiße Reiter" von Bernhard Cornwell. Das ist ein Buch aus einer Reihe - und zwar ist es aus der Uhtred-Saga und der zweite Band, den ich lese!


Um was geht´s da?

Das Buch spielt im neunten Jahrhundert in England zur Zeit der Wikingerangriffe. Es ist aus der Sicht eines jungen Mannes geschrieben, der Northumbrier ist, als kleiner Junge von den Wikingern entführt und großgezogen wurde. Seitdem ist er hin und her gerissen zwischen seiner northumbrischen Vergangenheit und seinem Zugehörigkeitsgefühl zu den Wikingern. Er beschreibt die Angriffe der Wikinger und die Gegenmaßnahmen der Engländer aus seiner Sicht. Darum geht es in der ganzen Reihe.



Du selbst hast ja unter anderem Geschichte studiert und dich dafür auch mit Wikingern beschäftigt - was schätzt, du: Wie historisch ist das Buch?

Ich hatte die Wikinger auch als Prüfungsthema im Examen und habe, als ich mich für´s Examen vorbereitet habe, gemerkt, dass es wirklich sehr historisch korrekt ist. Es kam auch dazu, dass ich beim Lernen Geschehnisse aus den Büchern wiedererkannt hatte und mich gefreut hatte, dass das Buch tatsächlich nach historischen Ereignissen geht. Gleichzeitig war ich traurig, weil ich mich damit selbst gespoilert habe (Lachen) und plötzlich wusste, wie es in den Büchern weitergehen wird. Aber es ist wirklich sehr gut! Natürlich sind auch mal ein paar Sachen hinzuerfunden und selbst ausgedacht. Aber das ist ja auch klar, da ja die Geschichtsschreibung nicht das Leben jedes Einzelnen darstellen kann. Abgesehen davon orientiert es sich wirklich genau an den wahren Begebenheiten. Bernhard Cornwell selber ist auch Historiker und hat erst kürzlich ein Buch über die Schlacht bei Waterloo herausgebracht und ich denke entsprechend gut kennt er sich da auch aus.


Der Mann kannte also seine Quellen!

Ja!



Wie bist du auf genau dieses Buch gekommen?

Durch meinen Freund! Ich wollte mal eine neue Reihe ausprobieren und mein Freund Marius hat alle Bücher gelesen und besitzt sie auch alle - auch eine andere Buchreihe von Cornwell - und hat mir die hier empfohlen. Dann habe ich angefangen und seitdem bin ich gespannt auf jedes weitere Buch! - An dieser Stelle noch ein Buchtipp von meinem Freund: die Artuschroniken sind sehr lesenswert!


Man hört das jetzt leise raus: Das ist eine Leseempfehlung?

Ja! Auf jeden Fall!



Was glaubst du, was für einem Typ Mensch so ein Buch gefällt?

Ich denke, es würde jedem gefallen, der historische Romane mag, aber eben auch fundiertere historische Romane. Also nicht nur "Ich setze eine Geschichte in einen historischen Kontext/ein historisches Setting", sondern, dass man wirklich sich an der Geschichte entlang hangelt. Und man kann das natürlich für jeden empfehlen, der sich für die Wikingerkultur interessiert und generell für die Wikingerangriffe im 9. Jahrhundert. Außerdem ist es für Leute, die eine kritische Stellung gegenüber dem Christentum einnehmen, weil der Protagonist ja durch seine Kindheit bei den Wikingern von deren Mythologie sehr geprägt ist und auch während den Büchern dem Christentum sehr skeptisch gegenüber steht und dementsprechend manche Aussagen von Priestern sehr ironisch kommentiert. Seine Erzählungen dazu sind wirklich sehr spaßig



Fantasy ist es gar keines, oder?

Ne, absolut kein Fantasy! Das ist wirklich draußen!



Würdest du sagen, dass das dann eine moderne Perspektive ist? Also dass der Ich-Erzähler als Mensch, der aus dem 21. Jahrhundertoder agiert - also denkt, handelt, fühlt - oder ist das tatsächlich zeitgenössisch?

Hm, gute Frage, da man sich ja nicht wirklich in die früheren Personen hineinversetzen kann, aber ich würde schon sagen: Eher zeitgenössisch! Der Protagonist vertritt schon manchmal eine Auffassung, oder handelt, bei dem man sich dann denkt: Oh, das ist aber krass! Irgendwie hätte ich das jetzt so nicht gemacht! - Also da stößt man sich schon daran, dass da diese mittelalterlichen Vorstellungen noch verankert sind, die nicht mehr in die heutige Zeit reinpassen. Daher würde ich schon sagen, dass er zeitgenössisch handelt.



Wir kennen uns ja, daher hast du mir auch immer wieder von deinem Buch erzählt, daher möchte ich dich jetzt noch fragen, ob du noch von einer Szene erzählen möchtest, die dir besonders gut gefallen hat?

Sehr gerne! Von der Szene habe ich dir auch schon mal erzählt und es geht darum: Der Protagonist schwankt ja immer wieder zwischen den Seiten. Er fühlt sich einmal als Wikinger, aber auch als Engländer. Und steht auch immer wieder auf verschiedenen Seiten. - Zu einem Zeitpunkt steht er auf der englischen Seite, ist in Begleitung König Alfred des Großen - das ist der, der es erstmals geschafft hat, die Wikinger in England zurück zu schlagen - und sie wurden in einen Sumpf zurück gedrängt, sind von Wikingern umgeben, wissen aber, wo eine Flotte der Wikinger in der Nähe lagert und haben vor, diese zu zerstören. Es geht dann also um die Frage: Wie zerstören wir die? Der Protagonist wird gefragt: Wie sollen wir das machen? Er meint, dass sei schwierig und dann versuchen andere Leute, die weniger qualifiziert sind, Tipps zu geben. Ein unfähiger Kommandant schlägt vor: "Wir werden mit Booten heranfahren und brennende Fackeln auf die Boote werfen!" Der Protagonist meint daraufhin ganz kühl: "Ne, die haben Wachen! Die werden das sofort sehen!" - "Ja, dann reisen wir bei Nacht!" - Daraufhin der Protagonist wieder: "Es ist Vollmond! Die werden uns zuerst sehen! Und wenn Wolken vor den Mond kommen, sehen wir die Flotte nicht!" - Dann meint, und das ist genau der Punkt mit der ironischen Betrachtungsweise des Christentums, ein Bischof: "Gott wird Feuer vom Himmel herunterregnen lassen!" Der Protagonist beschreibt eben, wie alle still sind und das erstmal nicht kommentieren und dann weitermachen, als hätte er gar nichts gesagt. Im Nachhinein unterhält sich der Protagonist mit seinem Kumpel, der mit dabei war und der meint dann auch ironisch: "Ja, dann werden wir einfach darauf warten, dass Gott Feuer regnen lässt!"
Das ist alles so schön ironisch und du merkst so richtig, wie tatsächlich damals die Engländer, beziehungsweise England kann man ja noch nicht so sagen, die Leute von Wessex versucht haben, die Wikingerangriffe durch Gläubigkeit zurück zu schlagen! Das war wirklich eine der Gegenmaßnahmen, die sie getroffen haben: Durch vermehrtes Beten und größere Frömmigkeit die Wikinger abzuhalten. Das ist hier schön übernommen worden und sehr schön ironisch dargestellt!


Also sind wir wieder bei dem Punkt: Der Mann kennt seine Quellen!

Ja, auf jeden Fall!



Jetzt ein ganz kurzer Schwenker: Wenn der Protagonist immer wieder die Seiten wechselt, ist das ja eigentlich so eine Verrätersau! Ist er trotzdem sympathisch? Ist er dir sympathisch?


Mir ist er super sympathisch! Ich verstehe, wieso er hin und her schwankt! Weil ich pro Wikinger bin, wünsche ich mir die ganze Zeit, dass er wieder zu den Wikingern geht, aber ich kann verstehen, dass er die Seiten wechselt. Er ist nicht in der Situation, dass er sich entscheidet, die Seiten zu wechseln, sondern er kommt in Situationen, dass er zum Beispiel in der Gefangenschaft von Wikingern ist, von einer anderen Wikingergruppe, die eben nicht mit ihm befreundet ist, und seine Wikingerfreunde befreien ihn. Dann ist er in der Situation: Er ist schon bei ihnen und kann jetzt nicht zu den Engländern zurück, dann kämpft er mit den Wikingern. Dann gerät er aber wieder zu den Engländern zurück, weiß aber nicht wo die Wikinger, die er kennt, sind und beschließt: Ok, ich bleibe jetzt erstmal da. - Das Problem ist einfach, dass seine hin und her Gerissenheit davon abhängt, dass er noch einen Besitz in Northumbria hat, den sein Onkel ihm gestohlen hat. Er sieht sich immernoch als Besitzer dieser Burg und möchte sie wieder zurück haben! Das ist so ein Stolz über sein Erbe, das er zurückhaben möchte. Das ist dann diese Tendenz dazu, wieder zu den Engländern zu gehen. Gleichzeitig ist es aber das Gefühl der Freiheit, machen zu können, was er möchte, das ihn dazu verleitet zu den Wikingern zu gehen, weil König Alfred ihn schon sehr unter Druck setzt und klein hält. Gerade was das Christentum angeht: Der König möchte, dass er wieder gläubig wird und da fühlt er sich sehr eingeengt. Dementsprechend kann ich verstehen, dass er da hin und her gerissen ist, aber er ist jetzt nicht so einer, der von jetzt auf nachher sagt: Ich wechsle jetzt die Seiten und fühle mich als Verräter. Es ist immer situationsgebunden! - Er ist sich auch darüber bewusst, dass er von manchen aus Wessex als Verräter gesehen wird. Er hat zum Zeitpunkt im Sumpf Alfred sogar einen Treueeid geschworen. Als er später wieder unter königlichen Druck gerät, den er unfair empfindet, überlegt er sogar, wieder abzuhauen. Aber die Ungewissheit darüber, ob seine Wikingerfreunde noch leben und der Treueeid halten ihn davon ab. Er weiß, dass er mit der Flucht entgültig als Verräter gelten würde und bleibt.
 



Also sehr glaubwürdig?

Ja!



Jetzt noch eine persönliche Frage: Warum die Wikinger?

Warum die Wikinger? (lacht) Das hängt ein bisschen mit meinem Hobby zusammen: Ich mache ja LARP und unsere Gruppe sind hauptsächlich Charaktere die sich an nordischen Charakteren orientieren. Ich würde jetzt nicht sagen, wir sind Wikingern, sondern wir sind Nordcharaktere. Einfach damit wir nicht in den historischen Kontext hineinrutschen. Weil ich trotzdem eine Orientierung haben wollte, habe ich mich über die Wikingerzeit informiert und habe gemerkt, dass das immer interessanter und interessanter wird, weil das eben eine ganz andere Kultur ist. Und wie sie es geschafft haben, sich durchzusetzen! Die Wikinger haben Kontinentaleuropa und England einfach überrannt, weil sie in gewisser Weise fortgeschrittener waren: Sie griffen vom Wasser aus an und damit konnten die Europäer nichts anfangen. Sie kannten das nicht, dass die Leute urplötzlich auftauchen! Außerdem haben sie die Gunst der Stunde ausgenutzt und angegriffen, als Streitigkeiten der Herrscher (z.B. die zerstrittenen Söhne König Ludwigs des Frommen im Frankenreich) das Land schwächer gemacht haben. Das ist so spannend, wie sie das tatsächlich umgesetzt haben. Und ja - die Wikinger sind halt einfach cool!

[Anmerkung: Wer sich darunter jetzt gar nichts vorstellen kann oder sich mehr für Helenas Hobby interessiert, mag sich vielleicht ein bisschen auf ihrem Blog(https://fadenspielerei.wordpress.com/) oder im Forum ihrer LARP-Gruppe (http://nyttland.xobor.de/) umschauen.]


Wenn du dann dieses Buch magst, ist es ja auch ein besonderes Kompliment an dieses Buch!

Ja! (lachen) Würde ich schon sagen! - Das einzige, was ich an diesem Buch nicht mag, ist: Der Protagonist erzählt seine Geschichte aus der Zukunft, also rückblickend, was er als Kind, jugendlicher und junger Mann erlebt hat. Und er macht das ganz oft, dass er dann, wenn er irgendwelche Personen kennen lernt und mit denen Zeit verbringt,  foreshadowing macht und sagt: Später sollte ich diese Person hassen. Punkt! Und dann redet er einfach weiter und du stehst da und denkst: Und wieso? Und weshalb? Und was ist passiert? - Und dann passieren ein paar Sachen und du weißt nicht: Ist es deswegen, dass er denjenigen gehasst hat oder kommt nochmal was? Da steht man die ganze Zeit unter Spannung, weil man nicht weiß: Warum hasst er ihn? Und wie lange? Und wann passiert das?


Also der Autor spielt mit dir!

Ja!



Wie weit bist du jetzt?

Ich bin jetzt (schaut nach) auf Seite 290 im zweiten Band. Es gibt aktuell sieben oder acht - ich habe also noch was vor mir! (lachen)



Liest du die alle?

Ja!



Dann viel Spaß und danke für das Interview!

Montag, 16. Mai 2016

Mireille Calmel "Die Nächte der Königin" [Guilty Pleasure]



Der Buchseetaucherblog dreht sich um Bücher die man liest, mag und liebt - und wie das im Leben so ist: Manchmal liebt man Dinge, die man gar nicht so gerne zugibt. Um genau diese genierlichen Leidenschaften dreht sich die neue Interview-Rubrik: Guilty Pleasure! (Vielen Dank für die Idee, Igor!)

Und wenn man sich Arschlochkategorien ausdenkt oder ausdenken lässt, bei denen man schon in Einleitungstext ganz lange über ein liebevolles Synonym für "peinlich" nachdenkt, dann muss man natürlich selbst den Kopf hinhalten und zum Eisbrechen von Anja interviewen lassen. - Halt, nein! Das war jetzt falsch! Sagen wir: Anja hat sich aus hier nicht näher aufgeführten Gründen bereit erklärt N. Kauwerkzeug aus H. zu interviewen!
Viel Spaß damit!

Hallo N. Kauwerkzeug aus H. (Name und Stimme von der Redaktion verändert), welche guilty Pleasure möchtest du uns den heute vorstellen?

Ich möchte heute über ein für mich ganz besonderes guilty-Pleasure-Buch sprechen, und zwar heißt das "Die Nächte der Königin" von Mireille Calmel! - Ich bin übrigens sehr froh, dass der Name nachher eh geschrieben wird, weil aussprechen kann ich es nicht!



Das sind lauter so schöne Namen bei diesen Guilty Pleasure Büchern! "Mireille Calmel"!  - Worum geht es denn in diesem Werk?

Es geht - und ich muss sagen, auf die Inhaltsbeschreibung bin ich auch reingefallen, weil die ziemlich cool ist - es geht um Eleonore von Aquitanien. Sie war Herzogin von Aquitanien, also Bordeaux und so, und damit in ihrer Zeit, dem 12. Jahrhundert, mächtiger als der französische König, den sie dann auch später geheiratet hat. Und noch viel später hat sie ihn verlassen und dann den englischen König geheiratet und mit dem dann Richard Löwenherz und Johann Ohneland aus der Robin-Hood-Geschichte gekriegt. Aber das kommt im Buch gar nicht mehr vor, sondern es geht um sie als Herzogin, die den französischen König heiratet, obwohl im Buch von ihrem toten Vater schon die Ehe nach England versprochen war. Es wird dann die Druidentochter Loanna zu ihr geschickt um diese Ehe zu sabotieren. Die gibt ihr dann immer irgendwelche Furchtbarkeitskräuter die sie unfruchtbar machen und solche Sachen. - Zwischendurch gehen sie dann auf Kreuzzug, aber abgesehen davon vögeln sie eigentlich die ganze Zeit. [Lachen]



Aber es gibt immerhin ein bisschen Geschichte!

[Lachen] Ja, die Geschichte ist ja auch gut!



Und hast du trotzdem gesagt, dass du weiterlesen möchtest, als du gemerkt hast, dass es dann doch nicht so vielversprechend ist?

"Nicht vielversprechend" ist das falsche Wort, immerhin habe ich das Buch fünf Mal gelesen! [Lachen] - Ich war nicht so alt, als ich das Buch bekommen habe! - Aber ich muss es so rum formulieren: Meine Großtante hatte ein Bertelsmannabo und nicht so viel gelesen. Dann durfte ich mir immer ein Buch aussuchen und das hier war dann so "Mittelalter", "Königin" - also voll toll! Das wollte ich! Mit dreizehn denkst du dir bei einem Titel wie "Die Nächte der Königin" noch nicht so viel und meine Großtante hat sich offensichtlich auch nicht so viel dabei gedacht und ich habe das Buch gekriegt. - Als die das erste Mal anfingen, war das ganz schön verstörend, aber ich mochte das Buch, ich mag die Eleonore heute noch gerne und habe noch einige Bücher über sie gelesen. - Also die Sexszenen sind jetzt auch nicht so schlecht, aber abgesehen von den Sexszenen ist es schon ein gutes Buch!


Ist es auch historisch? - Hast du das mal nachgeforscht?

Ja, ich habe tatsächlich mal nachgeforscht. Ich habe mich in der Uni für ein Eleonorereferat gemeldet! - Es ist halt auf einer sehr persönlichen Ebene: Sehr viel Emotionales, sehr viel Zwischenmenschliches - und das kann man für´s Hochmittelalter heute nicht mehr sagen, ob das stimmt, finde ich! Die ganz groben Fakten stimmen aber! Eben die Biographie, dass sie den Louis heiratet, sich scheiden lässt, auch die Sache mit dem Kreuzzug - sie war die erste Frau auf einem Kreuzzug! Also die Autorin hat schon mal ein Buch über die Zeit in der Hand gehabt!



Würdest du das Buch weiterempfehlen?

Ja! - Also du siehst: Ich werde rot, während ich das sage, aber: Ja! Es ist von allen Guilty Pleasures schon meine große Liebe!



Ist das dann generell deine Sparte für Guilty Pleasures? Viele lesen dann ja eben noch seichtere Literatur! Es ist ja immerhin noch historisch verankert!

Also meine Guilty Pleasures sind meistens historische Bücher! - Auch dann sowas wie "Die Piratenbraut" oder "Die Sklavin des Wikingers" - das war mein absoulter Tiefpunkt! Das war aber so schlecht, dass es nicht mal mehr Pleasure war! [Lachen] - Aber ich habe viel gelacht!



Wir können es ja mal für´s Literaturkränzchen nehmen - als kleine Trashvariation!

Ja! Ich müsste es nicht mal mehr kaufen! [Lachen]



Würdest du weitere Bücher der Autorin lesen?

Hm - damals hätte ich es mit Sicherheit, mittlerweile gefällt mir die Sparte nicht mehr so. Das macht es wahrscheinlich auch zu meiner Guilty Pleasure! Mir gefällt die Art Roman nicht mehr. Mir gefallen auch Historienromane nicht mehr wirklich, außer das hier eben! Das ist so mein special someone!


Danke!