Freitag, 8. April 2016

Heinrich von Kleist "Prinz Friedrich von Homburg oder die Schlacht bei Fehrbellin" [Rezension]



„Tor, der du bist, Blödsinniger!"

Kleist "Prinz Friedrich von Homburg", V. 1713


Deutschland in der Mahlmaschine des 30-Jährigen Krieges - Schlacht bei Fehrbellin: Die brandenburgische Armee, die noch nie zuvor alleine in die Schlacht gezogen war, schlägt die zuvor siegreichen schwedischen Truppen.

Kleist, Heinrich von: Prinz Friedrich von Homburg
Quelle: http://www.reclam.de/detail/978-3-15-000178-3/
Kleist__Heinrich_von/Prinz_Friedrich_von_Homburg
Lose an die historische Schlacht und die dazugehörigen Begebenheiten angelehnt, spinnt Kleist ein Drama um Friedrich von Homburg, der gegen den Ausführlichen Befehl des Kurfürsten von Brandenburg zu früh in die Schlacht eingreift und damit zwar den Sieg holt und zum Helden wird, aber auch Befehlsverweigerung begeht und vom Kriegsgericht zu Tode verurteilt wird.

Jeder der sich für sein Abitur - und alle anderen vielleicht auch - durch "Michael Kohlhaas" gegraben hat, weiß noch: Kleist braucht manchmal ein bisschen um auf den Punkt zu kommen. Und der geneigte Leser braucht ein bisschen um mit Kleist warm zu werden. Oder er lässt das mit dem warm werden gleich ganz.

Außerdem - wir sehen, heute motze ich zuerst, aber gleich sage ich auch was Gutes - hatte zwischenzeitlich die Befürchtung, dass das wieder in so eine Männer-mit-Prinzipien-Geschichte abrutscht. Ganz in der Tradition  von Gottscheds sterbendem Cato und Gryphius´ ebenfalls sterbendem Papinian, die - und so frei darf man sein - auch nicht wirklich viel Spannung aufgebaut hätten, wenn das Ende nicht im Titel gespoilert worden wären. Und da ich gerade bei frei-sein bin: Erleichterter als über Catos Tod war ich nur über Werthers.

Kleist aber kriegt die Kurve! Es bleibt spannend! Und zwar weil es menschlich bleibt! Homburg überlegt es sich hin und her, hat Stolz und Gerechtigkeitsempfinden, aber auch Gefühle und Ängste. Er hadert, will bitten, will´s doch nicht - und ist von der überschnell gekommen Situation schlichtweg überfordert.

Peter Simonischek als Kurfürst und August Diehl als
Homburg auf den Salzburger Festspielen 2012

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Prinz_Friedrich_von_
Homburg_oder_die_Schlacht_bei_Fehrbellin#/media/File:
Salzburger_Festspiele_2012_-_Prinz_
Friedrich_von_Homburg.jpg
Das macht das Drama interessant, lesenswert und nicht vorhersehbar. Ehrlich gesagt war ich mir zehn Zeilen vor Schluss noch nicht sicher, wie es ausgehen wird! Nachdem mich das Stück anfangs nicht hat warm werden lassen, lies es mich nicht mehr los.

Und wie das Leben so will: Wenn man es einmal nicht brauchen kann, ist die Bahn pünktlich und man selbst mit seinem Buch noch nicht fertig. Ich musste es des ganzen Heimweg vom Bahnhof im Gehen lesen und schließlich vor unserer Haustür sitzend fertig. - Die Treppen hoch hätte ich ja aufhören müssen. Und daheim musste ich es googeln! Und darüber schreiben auch! Und jetzt muss ich mir auch noch ´was Glaubwürdiges einfallen lassen, weil ich gegoogelt und geschrieben habe, statt gestern pünkltlich zum Film schauen loszufahren!

Langer Absatz, kurzer Sinn: Es wurde gut! Wenn man sich an die alte Sprache gewöhnt hat und durch die ersten, scheinbar belanglosen, Szenen gewühlt hat, nimmt die Handlung Tempo auf. Geschickt flechtet Kleist die scheinbar belanglosen Szenen handlungstragend ein.

Abschließend möchte ich unbedingt noch eine Stelle aus dem Buch zitieren, die ich wunderschön fand! Prinzessin Natalie von Oranien bittet ihren Onkel, den Kurfürsten um Homburgs Leben und bringt dabei so eine reine und schöne Idee der Liebe zum Ausdruck:

Der Kurfürst: "Was willst du Liebe?"

Natalie: "Zu deiner Füße Staub, wies mir gebührt,
Für Vetter Homburg, dich um Gnade flehn!
Ich will ihn nicht für mich erhalten wissen - 
Mein Herz begehrt seiner und gesteht es dir;
Ich will ihn nicht für mich erhalten wissen - 
Mag er sich welchem Weib er will vermählen;
Ich will nur, daß er da sei, lieber Onkel,
Für sich, selbstständig, frei und unabhängig,
wie eine Blume, die mir wohlgefällt:
Dies fleh ich dich, mein höchster Herr und Freund."

Kleist "Prinz Friedrich von Homburg" V. 1080-1090 

Mein Fazit: Von Kleist mag ich nur in Dramen. (Bei Gelegenheit erzähle ich mal von "Penthesilea".) Vielleicht hat mache ich es mir mit dieser Aussage ein bisschen einfach und vielleicht hat mich der "Michael Kohlaas" furchtbar versaut, aber danach mochte ich Kleist wirklich nur noch in Dramen anfassen!


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen